Woyzeck im Schloss
Beeindruckende One-Man-Show von Julian Koenig begeistert Oberstufe der PSI
Grau in grau ist die Bühne, grau erscheint Woyzecks Haut, seine Kleidung, seine „Mitspieler“, seine „Welt“: Trister geht Alltag anno 1830 nicht, dafür aber ist Woyzeck-Darsteller Julian Koenig in beeindruckender Form: Was dieser Schauspieler in einer Stunde körperlich und stimmlich leistet, ist enorm: Kniend durchwühlt er Kleiderberge, quasi textile Überreste von Menschen, deren Blut in den Fasern klebt, immer wieder greift er zu den berühmten Erbsen, wird von Stimmen gepeinigt, die ihn stramm stehen lassen, um im nächsten Moment (sehr graue) Puppen aus dem Kleiderchaos auferstehen zu lassen, die seine Gegenspieler sind und denen er sowohl Stimmen geben als auch Leben einhauchen muss, damit sie sich bewegen und ihm die Hölle auf Erden bereiten können. Nebenbei läuft Woyzeck wie in einem Käfig – und wie ein Tier - von Figur zu Figur, hinter den Vorhang, baut ein Minimobile, hechtet abermals zu seinem Erbsenbecher und spricht Woyzeck aus der Seele, wenn er in dessen Seelenleben schlüpft. Am Ende einer schweißtreibenden, aber kurzweiligen Stunde scheitert Woyzeck an den Puppengeistern, die ihn riefen, aber fallenließen und nur Spott und Hohn für ihn übrighaben: Ein feister Hauptmann, ein zynischer Doktor und ein Tambourmajor, der ihm das Einzige nahm, was er liebte. Diese Drei treiben ihr böses Spiel mit der geschundenen Kreatur, die nur noch einen Ausweg kennt, den Mord an Marie, seiner geliebten Marie, die ihn ebenfalls verraten und betrogen hat.
Ausschließlich mobile Theaterproduktionen bietet das THEATERmobileSPIELE aus Karlsruhe, was bedeutet, „dass die Zuschauer – in diesem Fall Schüler – nicht zum Theater kommen, sondern umgekehrt das Theater in die Schule, das Klassenzimmer, kommt.“ So kann man es auf der Homepage des Theaters nachlesen; zudem wird betont, dass das Theater einen ge- und bewohnten Alltagsraum mit neuen Blickwinkeln auf die Welt auflade und mit Phantasie einen fiktionalen Raum schaffe, der einen intensiven und nahen Austausch mit dem jungen Publikum erlaube, da Spielsituationen hautnah erlebt würden.
In der Inszenierung von Regisseur Thorsten Kreilos wurde diese Zielvorgabe ganz sicher im kleinen Schlosszimmer erreicht und Julian W. Koenig verkörperte einen Woyzeck, der als Ausstellungsstück, als Laborratte, als geschlagener Straßenköter und Außenseiter nicht den Hauch einer Chance hat, gegen „die da oben“ in der Gesellschaft anzukommen. Das bzw. ‚den‘ jedenfalls sollen die Schülerinnen und Schüler nach Meinung Koenigs mitnehmen, einen Woyzeck, der auf ganzer Strecke isoliert, ausgeschlossen ist und keinerlei Aufstiegschancen hat in einer Welt, die komplett gegen ihn ist, in einer herzlosen Welt, die noch nicht einmal ein Herz für Tiere hat.
Am Ende einer fantastischen und auch lehr- und aufschlussreichen Aufführung gab es lang anhaltenden und verdienten Applaus für Koenig, der nicht nur eine famose One-Man-Show auf der Bühne ablieferte, sondern auch danach vor der Bühne in einen originell moderierten Dialog mit den Schülerinnen und Schülern der Qualifikationsphase trat, um Fragen zu beantworten und um die letzten Geheimnisse der Puppenwelt zu lüften.