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Nach dem Flugzeugabsturz bricht die Gewalt aus

Nach dem Flugzeugabsturz bricht die Gewalt aus:

Der Kurs „Darstellendes Spiel“ von Katja Holland-Best führt „Die Gewalt der Unschuld“ auf

William Goldings mehrfach ausgezeichneter und verfilmter Roman „Herr der Fliegen“ ist ein Klassiker der Weltliteratur und – aus vielerlei Hinsicht leider – hochaktuell, was den Zuschauern in der vollbesetzten Mensa der PSI spätestens durch den dramatischen Abspann der 90minütigen Aufführung von „Die Gewalt der Unschuld“ nochmals bewusst gemacht wurde.

Unter der Leitung von Katja Holland-Best zeigte die junge Schauspieltruppe von Beginn an, was in ihr steckt: Dass sämtliche Beteiligten absolut textsicher waren sowie mimisch und gestisch zu beeindrucken wussten und sich außerdem körperlich extrem anstrengen mussten, um in ihren Rollen authentisch zu wirken, ist ebenso lobenswert hervorzuheben wie die Tatsache, dass auch robuste stimmliche Qualitäten im oberen Bereich der Dezibelskala erforderlich waren, um der ausufernden Gewalt im wahrsten Sinn des Wortes eine (laute) Stimme zu geben.

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Da war ihre Welt noch in Ordnung: Jugendliche im Ferienflieger

Zur Geschichte: Nach einem Flugzeugabsturz finden sich die jugendlichen Überlebenden auf einer einsamen Insel wieder und verfolgen die Idee, dass man nur durch den Rauch eines Feuers auf sie aufmerksam werden und somit hoffentlich retten könne. Schon nach kurzer Zeit aber bilden sich zwei sehr unterschiedliche Gruppen: Die eine wird von Jack (Krishna Kakkar, Sebastian Hartevelt und Adrian Skall), die andere von Ruby (Catja Zumdick, Julia May, Jana Kies und Finja Bruhnken) angeführt, wobei Jack das Abenteuer sucht, Schweine jagt und eine wilde Horde um sich schart, und Ruby um das Wohl der anderen, insbesondere um Piggy (Paula Achenbach und Roseleen Wagner), einen dicklichen Jungen mit Brille sowie um die von Visionen geplagte Simone (Selina Nickel, Katja Wolff), und um Rettung bemüht ist. Die flotten Rollenwechsel der Hauptcharaktere werden für das Publikum vor allem optisch nachvollziehbar durchgeführt, da sie das gleiche Outfit tragen; zudem wird der letzte Satz der Vorgängerin bzw. des Vorgängers wiederholt. Immer weiter spitzt sich der Konflikt der beiden Gruppen (Anton Stegmayer, Marzan Hossain, Valentin Schneider, Hannes Haberhauer, Mika Siersdorfer, Steven Höfer sowie Torsten und Tobias Hein, Leonard Zahn) zu, die „Jäger“ um Jack mutieren zu Wilden mit eigenen Ritualen, Folter gehört zu ihrem Handwerk und die Gewaltspirale erreicht einen traurigen Höhepunkt, als Piggy ermordet wird; zuvor schon ist ein Jugendlicher als vermeintliches Monster erschlagen worden.

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Ein Jäger, Piggy und Ruby auf der Suche nach Zusammenhalt

Jegliche Hoffnung auf Rettung scheint verloren, eine von Ruby als Schneckentrompete genutzte Meeresschnecke hat als Symbol für Ordnung allzu schnell ausgedient und Ruby rennt am Ende sogar um ihr Leben, als – gerade noch rechtzeitig – wie aus dem Nichts ein Marineoffizier (Ben El-Nomany), ein Symbol für die Zivilisation als Autoritätsperson in Uniform, auftaucht und Ruby scheinbar rettet. Doch in seiner Funktion als Soldat ist er genauso ein „Jäger“ wie die Kinder auf der Insel – nur auf einer anderen Ebene: in der Welt der Erwachsenen. Wenn am Ende des Originalromans Marineoffiziere auf der Insel auftauchen, wird – ohne deren Eingreifen, nur durch ihre Anwesenheit – zwar das mörderische Treiben unter Jack und seinen Jägern schlagartig beendet, da die Jungen durch das Auftreten dieser Autoritätspersonen aus der „Zivilisation“ blitzartig wieder in ihre gewohnte Rolle und die damit verbundenen internalisierten Verhaltensmuster zurückfinden, aber man ahnt bereits, dass dies keine Lösung zum Guten ist, denn auch in der Welt der Erwachsenen geht der Krieg weiter.

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In allerletzter Sekunde kommt Rettung - oder doch nicht?

Und am Ende ist im Abspann zu lesen, dass in jüngster realer Vergangenheit Jugendliche von mehr oder weniger Gleichaltrigen grausam gefoltert oder sogar getötet wurden. Die Erinnerung an diese Gräueltaten legt sich kurz wie ein Schatten über die Gäste in der Mensa, die aber nach kurzem Innehalten lange applaudieren und den Akteuren, die sich in vielen Proben akribisch vorbereiteten, verdienten Beifall spenden. Im Anschluss bedankte sich die Schauspielerschar bei Katja Holland-Best für die schöne und intensive Zeit, die man zusammen verbracht hatte. Die Mühe hat sich gelohnt, alles passte an diesem Dienstag: Die Aktualität des Stückes, die Spielfreude, das Bühnenbild (Paul Stratmann und Elena Cubas Fernandez), die Choreographie, die ausgewählte Musik und ein Schüler hinter dem Technikpult, der alles im Griff hatte: Florian Porth. Und so fiel den Beteiligten ein Stein vom Herz, dass ein Theaterstück zu sehen war, das noch lange in positiver Erinnerung bleiben wird, bis es im nächsten Jahr erneut heißt: Vorhang auf für ein neues Stück.

Erstellt: Thomas Weidenbusch (07.07.2023) Letzte Änderung: Thomas Weidenbusch (07.07.2023)