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Kurz-Konzept zur Parkour-AG aus (sozial)pädagogischer Sicht
als außerunterrichtliches Angebot der Schulsozialarbeit
an der Pestalozzischule Idstein
Die in Frankreich entstandene Trendsportart Le Parkour ist eine aktuelle Spiel- und Sportform der kreativen, kunstvollen Überwindung, die für Kinder und Jugendliche ein spannendes und attraktives Bewegungsangebot bietet, das im unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Schulsport und in den Turn- und Sportvereinen hervorragend entwicklungsfördernde Bewegungserlebnisse bieten kann.
Die Herausforderung, die die geschickte Eroberung von Bewegungsräumen bedeutet, das Können, effizient und schnell Barrieren zu überwinden, die Fähigkeit, den eigenen Körper auch in schwierigen Situationen sicher zu beherrschen, brauchen Gelegenheit, Anleitung und Hinführung.
Insbesondere die Helfer- und Sicherheitsmaßnahmen nehmen hierbei einen breiten Raum ein, um Bewegungswagnisse verantwortungsvoll vermitteln und ungefährdet auch mit Schulklassen ausüben zu können.
Die Sportart Parkour geht auf unterschiedliche Erziehungskonzepte zurück, wie u.a. die Methode naturelle von Georges Hebert (1875-1957). Hierbei ist das Ziel, durch gezielte Erlebnis- und Bewegungsprogramme, die selbstlose tätige Hilfsbereitschaft der Jugend zu wecken. Diese Erziehung, als Methode naturelle oder auch Hebertisme bezeichnet, war für Hebert somit nicht Selbstzweck, sondern die erworbene Körperstärke und das Geschick sollten zum Dienst für andere eingesetzt werden.
Es ist relevant, hervorzuheben, dass Parkour frei von den Normen des Wettkampfsports steht. Ausgangspunkte der pädagogischen Überlegungen wären demnach:
- Zugänglichkeit und nicht Auslese,
- Das Bewegungserlebnis und nicht das Bewegungsergebnis,
- Das gemeinsame Bewegungshandeln und nicht die Konkurrenzorientierung
- Die Vielfältigkeit und nicht das Spezialistentum
Mögliche pädagogische Handlungsfelder, die demnach mit in die Parkour-AG einfließen können, wären zum Beispiel:
- Bewegungsbildung,
- Gesundheitsbildung,
- Mitwirkung und Mitbestimmung,
- Kinder/Jugendliche stark machen,
- Interkulturelles Lernen,
- Gleichberechtigte Teilhabe von Jungen und Mädchen,
- Sicherheitserziehung/ Verkehrserziehung und
- Umweltbildung
Parkour ausschließlich in Hallen umsetzbar?
Im Unterschied zum Geräteturnen, das sich vom freien Naturgelände in die Hallen zurückziehen musste, ermöglicht Parkour die Zurückeroberung der Straße als spielerisch-sportlichen Bewegungsbereich. Das urbane Gelände, das zu jeder Zeit und überall ohne spezifische Herrichtung und ohne Sportgeräte als Sportstätte umfunktioniert werden kann, ist so und nicht nur bei dieser Sportform zum festen Bestandteil der Jugendkultur geworden. Die Rückgewinnung von Straßen und Plätzen als zugängliche Spiel- und Bewegungsräume wird umso bedeutsamer, je mehr Spiel- und Sportplätze nur für Befugte genutzt werden dürfen und für die Allgemeinheit verschlossen bleiben.
Aus diesem Grund wäre es auch nicht sinnvoll, Parkour als reine Hallensportart etablieren zu wollen. Die Hallen und Gerätekonstellationen bieten sich zwar vorzüglich an, Anfänger methodisch und sicher an die Bewegungskünste heranzuführen und wetterunabhängig zu jeder Jahreszeit zu trainieren, doch ebenso sind Outdoorangebote einzuplanen, wenn es die Möglichkeiten gestatten. Dazu gehören selbstverständlich die Beachtung von Sicherheit, Umweltschutz und die Verhinderung von Sachbeschädigungen.
Kompetenzerwerb als weitere Orientierung:
Eine weitere Legitimation, Motivation und Orientierung für die (außerunterrichtlichen) Unterrichtsvorhaben bilden die Kompetenzen, die vermittelt werden sollen.
Der Schüler/ die Schülerin ist demnach kompetent, wenn er/sie:
- Über Fähigkeiten und Fertigkeiten zum Lösen von Bewegungsproblemen verfügt (sich bspw. parkourmäßig und sicher über die Hindernisse bewegen können);
- Auf vorhandenes Wissen zurückgreift bzw. sich das notwendige Wissen beschafft (z.B. die Helferkenntnisse des Turnens anwendet, sich Kenntnisse über Parkour beschafft);
- Zentrale sportfachliche Zusammenhänge versteht (z.B. bei einer spezifischen Erwärmung auf Grund der folgenden Belastungen insbesondere den Sprung- und Stützapparat entsprechend erwärmt);
- Angemessene Handlungsentscheidungen trifft (z.B. eine für alle zugängliche Parkour-Strecke mit zusammenstellt, dass er/sie die leichtere, aber für ihn/sie angemessenere Parkour-Strecke wählt);
- Lerngelegenheiten nutzt und motiviert ist, seine Kompetenzen auch in Zusammenarbeit mit anderen einzusetzen (z.B. an allen Gerätestationen seinen/ihren Möglichkeiten entsprechend aktiv übt, Tipps gibt bzw. hilft und sichert).
Mit dieser Kompetenzorientierung soll sich eine veränderte Sichtweise auf den Unterricht ergeben. Das Lernen soll als aktiver, selbstgesteuerter, situativer und konstruktiver Prozess verstanden werden, in dem Lernende unter Einbezug des eigenen Vorwissens anwendbares Wissen und Können erwerben.
Vermittlung einer Sicherheitsförderung bei Wagnissen:
Sieht man einmal von selbstverständlichen Vorgehensweisen ab, die bspw. die Voraussetzungen Erwärmung, organisatorische Maßnahmen, Methoden, altersgemäße und leistungsangemessene Anforderungen und Zielsetzungen betreffen, so kann darüber hinaus die Beachtung folgender Grundsätze die Sicherheit fördern:
- Die generelle Freiwilligkeit, sich auf unbekannte, ungewöhnliche und als wagend empfundene Aktionen einzulassen.
- Das Nein zu akzeptieren und Ängste ohne Gesichtsverlust artikulieren zu lassen.
- Die Reflexion über diese Ängste in Einzel- oder Gruppengesprächen zu ermöglichen, den tatsächlichen und vermeintlichen Gefahrenquellen durch Veränderbarkeit der Situation zu begegnen.
- Bei Wagnissen ohne Zwänge (Notendruck, Gruppendruck und Wettkampfdruck) arbeiten.
- Eine langsame Annäherung und Differenzierung ermöglichen.
- Das Risiko kalkulierbar machen, objektive hohe Gefährdungen verhindern, aber nicht das subjektiv empfundene Ungewisse und Kribbeln, die den Reiz einer wagenden Situation ausmachen, minimieren.
- Sinne für Gefährdungen schärfen durch Hinweise, Besprechung der Beinahunfälle usw.
- Die Akteure unter Anleitung altersgemäß Verantwortung für sich und andere übernehmen lassen: Beim Helfen und Sichern, bei der Überprüfung der Situation, bei der realistischen Selbsteinschätzung, bei der Vorbereitung eines Unterrichtsteils oder der Übernahme einer Gruppe, einer Gerätestation. Ebenso lässt sich durch die Ausbildung von Sporthelfern im Schulsport und ihren entsprechenden Einsatz gezielt die Verantwortung und Sicherheit zu fördern.
- In Gruppenarbeit Vertrauen aufbauen und Berührungsängste abbauen, sodass sich jeder in den Händen der Mitakteure wohl und sicher fühlen kann.
- Die gemeinsame Planung eines Projekts, die Mitbeteiligung bei der Durchführung, die Besprechung der Wege und Ziele.
- Die Subjektivität von Wagnis erkennen und einplanen. Der geübte Turnen hat ein anderes Wagnisempfinden für das Bewegungskunststück als der Ungeübte, der Draufgänger ein anderes als der Vorsichtige.
Die unterstützenden und sichernden Hilfen und Sicherheitsmaßnahmen spielen somit für eine sichere und angstfreie Hinführung zu wagenden Bewegungsaktionen beim Bewegen an Geräten eine ausschlaggebende Rolle.
Anja Freudenreich & Stefan Jung (Schulsozialarbeit Pestalozzischule Idstein)